Freitag, Juni 16, 2006

WM in Kölle II

Hier das "Resumée" eines Freundes:

...Schland!

Hass. Gewalt. Diskriminierung. Mein Erlebnis im ach so "toleranten" Köln.

Es war ein großartiger Abend. Deutschland gewinnt in der letzten Minute das Spiel gegen Polen. Ich bin eigentlich kein Fußballfan. Kurz hat es mich dann doch erwischt, ich habe mich echt gefreut - aber das war um 12 Uhr ganz plötzlich wieder vorbei.

Nach dem Spiel mit Freunden in die Stadt. Tanzen. Wir hatten alle gute Laune. Ich musste noch zum Geldautomaten. Etwa zehn Leute warten in der Schlange und mir wird mulmig, ich fühle mich bedroht. Abwarten. Jetzt bin ich dran. Schnell PIN eingeben, Geld nehmen und weg da. Man weiß ja nie. P. ist mitgekommen, M. und D. wollten an der Ecke warten.

Ich habe mich absichtlich relativ neutral angezogen, kein rot, kein weiß. P. trägt ein grün-gelbes T-Shirt von Puma. Das war ein Fehler. Ich hätte darauf achten sollen. Überall deutsche Flaggen und grölende Fans. Überall Asoziale, die mitten auf den Bürgersteig pissen. Mir macht das Angst, ich bin eine Memme. Berechtigt. Dummdeutsche Schreihälse und Polizei, wohin man blickt. Sicherer fühlte ich mich dadurch nicht. Patrick und ich gehen vom Geldautomaten zurück durch die Meute Richtung M. und D., aber die sind schon vorgegangen. Tolle Freunde. Dumme Freunde. Anscheinend sahen sie in der Menschenmasse keine Bedrohung. Ich bin ganz schön sauer. In solchen Situationen achte ich eigentlich darauf, dass man zusammenbleibt. P. und ich ziehen zügig in Richtung Party, absichtlich nicht besonders nah aneinander oder gar Hand in Hand. Ich will niemanden provozieren. Ein Zittern liegt in der Luft. Von hinten höre ich leise die Sprüche... Sie kommen näher.

„Ey, wer beim Deutschlandspiel Brasilienshirts trägt, ist doch ne Schwuchtel!“ und ähnliches. Er spielt auf Patricks T-Shirt an.

Ich versuche, ruhig zu bleiben und mich nicht provozieren zu lassen. Drehe mich nicht um, halte meinen Mund, gehe einfach weiter. In mir kocht das Adrenalin mit dem Testosteron eine gefährliche Suppe. Immer mehr Sprüche. Immer mehr Beleidigungen. Schließlich platzt mir der Kragen.

„Was wollt ihr von uns? Was habt ihr für ein Problem?“ sage ich laut und drehe mich um. Es sind vier gut durchtrainierte Vollproleten türkischer und deutscher Herkunft. Alle in Deutschlandflaggen und schwarzrotgoldenen Merchandise-Artikeln verkleidet. Alle besoffen. Der kleinste der vier kommt auf mich zu und schlägt mir mit seinem Kopf vor die Lippe. Unangekündigt. Schamlos. Aggressiv. Sie wird sofort dick. Ich verlange schreiend eine Entschuldigung.

Am Straßenrand stehen mehrere gut gebaute Männer mit ihren Frauen. Alle gucken zu oder flüchten. In Köln schaut man hin. Tut aber nichts.

Die Situation artet aus. Gerangel. Der wohl älteste der Proletengruppe versucht, den kleinen Aggressor zurückzuhalten. Weit und breit keine Polizei. „Schwuchtel“ und schlimmeres. P. versucht ebenfalls zu schlichten, ist jedoch völlig überfordert mit der Situation.

„Ich hau dir aufs Maul!“ sage ich.

„Lass das besser, sonst gehen wir alle vier auf dich los und bringen dich um!“ sagt der Älteste. Ich gehe zurück in Richtung Polizei. Mache wieder einen Fehler und schreie.

„Ihr Fußballwichser seid doch alle Nazis!“ Das war dumm und eine pauschale Verurteilung. Eigentlich nicht meine Art. Aber irgendwann ist Schluß.

Ich konnte mich nicht zurückhalten. Ich habe keine Lust mehr auf Schlucken. Sie rennen hinter mir mehr und schubsen mich. Verlangen eine Entschuldigung, die ich ihnen selbstredend nicht gebe. Wäre ja noch schöner. Ich falle mehrmals hart, kugle mir die linke Schulter aus und schreie vor Schmerzen. Stehe auf. Falle wieder. Stehe auf. Falle wieder. Mein Knie blutet leicht. Ich drehe mich nicht um.

„Entschuldige dich, Schwuchtel!“

„Fick dich!“

Am Straßenrand stehen mehrere gut gebaute Männer mit ihren Frauen. Alle gucken zu oder flüchten. In Köln schaut man hin. Tut aber nichts.

„Ihr guckt alle nur zu. Ich glaube das einfach nicht!“ schreie ich den Gaffern entgegen. Keine Reaktion. Ich wehre mich nicht. Gehe einfach weiter Richtung Polizei. Ich renne nicht. Jeder soll es sehen.

„Wo sind die scheiß Bullen, wenn man sie mal braucht?“ schreie ich verzweifelt.

Der Prolet merkt langsam, wohin ich will und geht zurück zu seinen Leuten. Ich komme am Polizeiwagen an.

„Guten Abend die Herren! Wären sie so nett, mir zu helfen? Ich wurde gerade grundlos Opfer gewaltbereiter Fans.“

„Anton 12/2, drei Mann zu mir.“ Mit den Polizisten in voller Montur im Schlepptau gehe ich den Weg zurück. Die Schläger sind natürlich längst weg. War klar. Auf eine Anzeige verzichte ich. Bringt eh nichts. Ich weiß nicht mal mehr, wie die Spinner aussahen. Wütend und enttäuscht von meiner Schwäche gehe ich mit P. Richtung Taxi. Schäme mich. Fühle mich schuldig. Schwach. Ich hätte dem Arschloch eine reinhauen sollen. Schwules Mädchen eben.
Die Nacht habe ich nicht geschlafen. Meinen linken Arm kann ich kaum bewegen und meine Lippe ist immer noch dick. Glimpflich davongekommen nennt man das. Der Schock sitzt trotzdem tief. Ich kann nicht glauben, dass mir so etwas in Köln passiert ist. Für mich ist diese WM gelaufen. Ich hatte Recht. Fußball ist Krieg. Eine neuzeitliche Adaption von Krieg. Man muss nur in die Gesichter der Fans schauen, um es zu wissen.
Ich hoffe, Deutschland fliegt möglichst früh raus. Am besten gegen Holland. Dann ist endlich Ruhe.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Tja... das ist ja nicht so nett... :(

Anonym hat gesagt…

du mußt die leute direkt ansprechen und antippen! oder direkt auf sie zeigen und sagen "du in dem roten t-shirt. ruf du die polizei!" und denen sagen was sie machen sollen, sonst hilft keiner. lernt man beim erste hilfe kurs als umgang mit gaffern und rumstehenden. aber sich im richtigen moment daran erinnern ...

am besten ist immer aus dem weg gehen, wenn so spinner kommen.

Anonym hat gesagt…
Der Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.